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16.01.2023 #Darstellende Kunst #kulturlxnews #Theater

Die luxemburgische Auswahl für das Off Festival 2023 in Avignon: "Petit frère – la grande histoire Aznavour" von Laure Roldàn und Gaëtan Vassart

© boshua Bohumil KOSTOHRYZ

Das Stück Petit frère („Kleiner Bruder“), geschrieben und inszeniert von Laure Roldàn und Gaëtan Vassart, wurde von einer unabhängigen Jury ausgewählt, um mit der finanziellen Unterstützung des Kulturministeriums und von Kultur | lx das frankofone Theaterschaffen im Großherzogtum beim Off Festival 2023 in Avignon zu vertreten. Im Rahmen der Vereinbarung der französischen Region Grand Est mit dem luxemburgischen Kulturministerium wird das Stück in La Caserne des pompiers gezeigt. In diesem Jahr findet das Festival vom 7. bis 29. Juli statt.

Die Jury setzte sich aus den Persönlichkeiten des luxemburgischen und französischen Theaters zusammen: Serge Basso de March (Autor und Dichter), Pablo Chimienti (Referent für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei der THEATER FEDERATIOUN), Godefroy Gordet (Journalist, Autor, Regisseur und Vorsitzender von Le Gueuloir, Autorenkollektiv der grenzüberschreitenden Dramatiker), Lee Fou Messica (künstlerische Leiterin des Schauspielhauses Espace Bernard-Marie Koltès in Metz und Ko-Präsidentin des Netzwerks Quint’Est) sowie Ian De Toffoli (Autor und Regisseur, Gewinner der luxemburgischen Auswahl für das Off Festival in Avignon im Jahr 2022).

Die Bewerbung von Laure Roldàn konnte die Erwartungen der Jury sowohl hinsichtlich ihrer künstlerischen Qualität als auch bezüglich der Umsetzungsmöglichkeiten in Avignon und ihres Potenzials für die weitere Verbreitung überzeugen. So betonte die Jury insbesondere die von dem Stück vermittelte Sensibilität, die durch eine durchdachte Form des Kabarett-Theaters entsteht und zwischen dramatischen und erzählerischen Elementen mit biografischer und historischer Tragweite variiert.

Neben einer gelungenen Hommage an Charles Aznavour und einer bewegenden Lebensgeschichte gelingt Petit Frère zudem eine treffende Betrachtung der Geschwisterliebe, des künstlerischen Schaffens und Lebens der Bohème sowie der Themen Migration und Integration.

Das von Laure Roldàns Theatergruppe Compagnie Juana La Loca, sowie Gaëtan Vassarts Cie La ronde de nuit produzierte und vom Kollektiv Bombyx koproduzierte Stück wird im Rahmen der Residenz bei „Capucins Libre“ von den Theatern der Stadt Luxemburg unterstützt. Es handelt sich um eine Adaption des gleichnamigen Buches von Aïda Aznavour-Garvarentz, Schwester von Charles Aznavour, das als Familiensaga vom Leben der Aznavour-Familie im Verlauf des 20. Jahrhunderts berichtet. Laure Roldán und Gaëtan Vassart ist es gelungen, die komplexen Thematiken des armenischen Völkermords, das Exil der Aznavour-Eltern, die Besetzung von und Armut in Paris sowie die entscheidende Beziehung von Charles zu Édith Piaf vor der Eroberung der Music Hall auf der Bühne umzusetzen. Anhand dieses einzigartigen Werdegangs zeichnet das Stück die Geschichte der Integration durch Sprache, Talent und Willenskraft nach: Charles Aznavour konnte die Welt unter anderem deshalb so stark bewegen, weil er das Lied des Exils verkörperte.

Über die Compagnie Juana La Loca
Die luxemburgische Theatergruppe Compagnie Juana La Loca wurde 2018 von Laure Roldàn gegründet und konzentriert sich auf die Kreation von Live-Theaterstücken. Vorrangig beschäftigt sie sich mit der Thematik des Exils und der kulturellen Aneignung durch die Sprache. Sie arbeitet insbesondere an der Adaption von Texten und Materialien, die auf den ersten Blick nicht für das Theater geschaffen sind, und fokussiert den urbanen Raum sowie partizipative Inszenierungen. Petit frère la grande histoire Aznavour ist die erste Kreation des Ensembles. Es folgte der fiktive Stadtrundgang Les bancs publics, un itinéraire urbain inventé, der in einer musikalisch poetischen Performance ein intimes, historisches und melodisches Porträt der Stadt Luxemburg zeichnet. Die kommende Kreation Les murs parlent thematisiert die Graffitis, Spuren und Narben einer Stadt und wird mit der Unterstützung der Commission internationale du théâtre francophone und Kultur | lx – Arts Council Luxembourg als Koproduktion zwischen dem Libanon (Hammana Artist House), Frankreich (Saint-Ouen sur Scène) und Luxemburg (Kulturfabrik) produziert.


Über Laure Roldàn
Laure Roldàn ist französisch-spanische und luxemburgische Staatsbürgerin und wurde am Conservatoire national supérieur d’art dramatique in Paris ausgebildet. Im Theater spielte sie unter anderem unter der Regie von Muriel Mayette, Hélène Vincent, Arthur Nauzyciel, Christian Benedetti, Silviu Purcărete, Vincent Goethals, Carole Lorang, Laura Schroeder, Laurent Contamin, Matthew Lenton, Myriam Muller, Pascale Noé-Adam, Laurent Gutmann, Fábio Godinho, Yann Collette, Jean Boillot und Frédéric Maragnani. Im Kino drehte sie bereits mit Jean-Michel Ribes, Jean-Paul Civeyrac, Artus de Penguern, Pascal Bonitzer und Catherine Castel. 2011 inszenierte sie Voilà donc le monde ! nach Balzacs Verlorene Illusionen am Théâtre 13. Am Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg präsentierte sie im Rahmen des TalentLAB Dolce inferno, eine von Fellinis Das süße Leben inspirierte Bühnenadaption. Als Assistentin von Yves Beaunesne wirkte sie bei Ruy Blas von Victor Hugo und gemeinsam mit Calixto Bieito an der Aufführung von The String Quartet’s Guide to Sex and Anxiety am Birmingham Repertory Theatre mit, des Weiteren war sie als künstlerische Mitarbeiterin von Gaëtan Vassart an Anna Karénine Les bals où on s’amuse n’existent plus pour moi am Théâtre de la Tempête mit Golshifteh Farahani in der Titelrolle beteiligt. Mit Unterstützung von „Capucins Libre“ inszenierte Laure Roldàn Petit frère la grande histoire Aznavour nach Aïda Aznavour-Garvarentz, das im Rahmen einer Tournee durch Frankreich und Armenien wiederaufgenommen wird. Im September 2020 wurde sie an der Seite von Aude-Laurence Biver und Christine Muller als Co-Autorin der Inszenierung von La rue des fleurs n’existe pas für das TalentLAB goes city im Grand Théâtre de la Ville de Luxembourg tätig. Im Frühjahr 2021 übernahm sie die Konzeption, das Schreiben und die Regie einer musikalischen und poetischen Performance rund um die symbolträchtigen Orte der Stadt: Les bancs publics entstand in Zusammenarbeit mit dem Autor und Komponisten Camille Rocailleux. 2021 schrieb sie gemeinsam mit Gaëtan Vassart den Kurzfilm 1 heure 30 sowie den Spielfilm Love, der sich derzeit in Produktion befindet. Im Oktober 2021 nahm sie im libanesischen Hammana an der Projektschmiede der Commission internationale du théâtre francophone teil, wo sie Künstler*innen aus dem französischsprachigen Raum begegnen und starke künstlerische Beziehungen aufbauen konnte.

Über Gaëtan Vassart
Der Autor, Regisseur und Schauspieler Gaëtan Vassart wurde 1978 in Brüssel geboren und lebt in Paris und Bastnach. Nach seiner Ausbildung im Fachbereich Regie an der belgischen Schauspielschule INSAS wechselte er 2001 an das Conservatoire national supérieur d’art dramatique in Paris. Im Theater spielte er unter anderem unter der Regie von Philippe Adrien, Bernard Sobel, Éric Ruf, Gérard Desarthe, Michel Didym, Joël Jouanneau und Laura Schroeder zu Texten von Handke, Ostrowski, Shakespeare, Valletti, Olescha und Gombrowicz. Unter der Regie von Jean-Xavier de Lestrade, Laurent Herbiet und Pierre Schoeller (Der Aufsteiger) war er zudem in verschiedenen Kinofilmen zu sehen. Bevor er sich dem Schreiben von Theaterstücken widmete, veröffentlichte Gaëtan Vassart mehrere Musikalben. Zu den von ihm verfassten und inszenierten Bühnenstücken gehören Toni M., das eine Förderung des CNT sowie eine Residenz in La Chartreuse erhalten hat und im Théâtre des Halles in Avignon gezeigt wurde; Peau d’ourse nach der italienischen Märchensammlung Pentameron, im Maison de la Radio mit Anne Alvaro, sowie Danseuse, das die Encouragements des CNT erhalten hat und in der Comédie de Picardie uraufgeführt wurde. 2015 adaptierte er Anna Karénine Les bals où on s’amuse n’existent plus pour moi, die erste Theateradaption von Tolstois Roman in Frankreich, die er 2016 am Théâtre de la Tempête mit Golshifteh Farahani in der Titelrolle inszenierte. Im selben Jahr verfasste Gaëtan Vassart gemeinsam mit Jean-Claude Carrière eine Bühnenadaption des Romans Elle joue von Nahal Tajadod. 2018 inszenierte er in Koproduktion mit der Scène nationale d’Albi Strindbergs Fräulein Julie an der Comédie de Picardie. Im selben Jahr inszenierte er in Partnerschaft mit der Kulturabteilung der französischen Botschaft in Teheran Home, partie1 von Naghmeh Samini im Theater Aftab Hall, Fajr International Theater Festival in Teheran. Im Jahr 2019 inszenierte er in Koproduktion mit dem Théâtre du Jeu de Paume in Aix-en-Provence und mit Valérie Dréville in der Titelrolle Jean Racines Bérénice in der Manufacture des œillets am Théâtre des Quartiers d’Ivry, Centre dramatique national du Val-de-Marne. 2022 folgte L’Art de perdre nach dem gleichnamigen Roman von Alice Zeniter am 11 Avignon.