Panorama

Klassische und zeitgenössische Musik
philharmonie luxemburg ©johann sebastian hänel
Klassische und zeitgenössische Musik

Klassische und zeitgenössische Musik

Beginnen wir mit einer Zahl: 2,5 Millionen. So viele Besucher verzeichnete die Philharmonie du Luxembourgs in den 15 ersten Jahren ihrer Existenz. Oder werfen wir einen Blick auf die Kommunen und Dörfer: Zehn professionelle regionale Kulturhäuser planen Jahr für Jahr Festivals und Eröffnungsveranstaltungen. Einen noch genaueren Eindruck bekommt man, wenn man die verschiedenen dezentralen Festivals betrachtet. Das Festival „Rencontres Musicales de la Vallée de l’Alzette“ organisiert seit 20 Jahren in sechs verschiedenen Kommunen Konzerte alter Musik.
Das ebenfalls dezentrale „Klenge Maarnicher Festival“ ist sogar noch 15 Jahre älter. Es bietet klassischen Musiker:innen aus Luxemburg und der ganzen Welt die Möglichkeit, in verschiedenen Kommunen im Norden Luxemburgs aufzutreten.

Dies sind nur einige Einblicke in die lange Tradition und feste Verankerung der Musikszene in Luxemburg. Die im ganzen Land verteilten Musikschulen vervollständigen dieses Bild ebenso wie die verschiedenen Orchester, Ensembles und Solist:innen des Großherzogtums.

Das Profi-Ensemble mit den meisten Instrumentalist:innen ist das Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL). Das Orchester mit 98 Musiker:innen aus rund 20 Nationen hat seinen Sitz in der Philharmonie und zeichnet sich durch viele abwechslungsreiche Programme aus. Außerhalb Luxemburgs hat sich das von Chefdirigent Gustavo Gimeno geleitete OPL v. a. durch seine Konzertreisen in Europa und Südamerika sowie regelmäßige CD-Produktionen einen Namen gemacht. So beispielsweise 2016, als es mit dem Luxemburger Dirigenten und Komponisten Gast Waltzing und der Sängerin Angélique Kidjo einen Grammy gewann.

Auch die Solistes Européens Luxembourg (SEL) haben dank einer CD internationale Bekanntheit erlangt. Das Ensemble mit Musiker:innen aus vielen europäischen Ländern und Orchestern wurde 1989 gegründet und hat 2021 eine Reihe gestartet, die der zeitgenössischen Musik Luxemburgs gewidmet ist. Auf dem ersten Album der Reihe werden die Werke „Orbital Resonances“ von Roland Wiltgen und „Sonata delle Farfalle“ von Tatsiana Zelianko, aber auch „Meiosis“ von Ivan Boumans zu Gehör gebracht. Letzterer erhielt 2020 bei den International Classical Music Awards (ICMA) den „Composer Award“. „Orbital Resonances“ wurde von der VoG Luxembourg Music Publishers herausgegeben, deren Online-Katalog überall auf der Welt Zugang zu mehr als 750 Werken Luxemburger Komponisten ermöglicht. Die Fédération Luxembourgeoise des Auteurs et Compositeurs (FLAC) vertritt die Interessen der Komponist:innen des Großherzogtums. Der FLAC gehören rund 100 Mitglieder an, von denen ca. die Hälfte in der klassischen und zeitgenössischen Musik arbeiten.

Andere Ensembles mit unterschiedlichen Stilarten sind integraler Bestandteil der Musiklandschaft Luxemburgs. Hierzu zählen insbesondere das Orchestre de chambre du Luxembourg (OCL), die Kammerata Luxembourg und das Barockensemble Artemandoline.

Das Festival „rainy days“ ist ein wichtiger Termin im Veranstaltungsprogramm der neuen Musik. Jedes Jahr im häufig verregneten November bietet es für zwei Wochen eine Bühne für Uraufführungen, internationale Ensembles und Konferenzen. Die jungen Komponist:innen haben die Möglichkeit, im Rahmen der „Composition Academy“ zusammen mit renommierten Komponist:innen an ihren Werken zu arbeiten und sie von renommierten internationalen Ensembles der zeitgenössischen Musik United Instruments of Lucilin aufführen zu lassen.

Die Luxemburger Musikszene setzt besonders auf den Nachwuchs. Rund die Hälfte des Programms der Philharmonie richtet sich an ein junges Publikum. Die regionalen Kulturhäuser bieten regelmäßig Aufführungen für Kinder und Jugendliche an, und begeisterte Musikschüler:innen können ein Instrument lernen und ihre theoretischen Kenntnisse an drei Konservatorien und einer der vielen Musikschulen vertiefen. Diese Einrichtungen sind für junge Talente oft das Sprungbrett für ein Studium im Ausland. Die Musiker:innen können bei Wettbewerben wie dem „UGDA Concours Jeunes Solistes“, der „International Percussion Competition“ oder auch dem Komponistenwettbewerb „Artistes en herbe“ Erfahrungen sammeln. Musiker:innen von internationalem Niveau, die bereits in Luxemburg etabliert sind, können sich bei der Philharmonie, die Mitglied der European Concert Hall Organisation ist, bewerben, um ihre Karriere voranzubringen. Bei einer erfolgreichen Bewerbung erhalten sie die Gelegenheit, eine Saison lang in den renommiertesten Konzertsälen Europas zu spielen und damit den Grundstein für eine internationale Karriere zu legen. Bekannte Luxemburger Musiker:innen, die an diesem Programm teilgenommen haben, sind der Vibraphonist Pascal Schumacher und die zwei Pianisten Francesco Tristano und Cathy Krier.

Neben den beiden Letztgenannten verfügt Luxemburg über zahlreiche weitere Pianisten von internationalem Ruf: von David Ianni, der mit seinen Kompositionen, Projekten und Musik-Clips v. a. in der Großregion verankert ist, über Jean Muller bis hin zu Sabine Weyer, deren CDs in den Kritiken internationaler Medien regelmäßig gelobt werden. Während Sabine Weyer die Werke des russischen Komponisten Nikolai Miaskowsky u. a. mit den beiden Sonaten von Nicolas Bacri kombiniert, hat Jean Muller sämtliche Klaviersonaten von Mozart eingespielt. Zala Kravos ist eine talentierte Pianistin, mit der die nächste Pianistengeneration gesichert scheint. Die junge Musikerin, die aktuell am Royal College of Music in London studiert, war knapp 15, als sie ihr erstes Album aufnahm, mit Werken von Johannes Brahms, Franz Liszt und Frédéric Chopin. Ein Jahr später, 2018, wurde Zala Kravos für den Preis music:LX „Export Artist of the Year“ nominiert.

Der luxemburgische Perkussionist Christoph Sietzen ist in Österreich aufgewachsen. Er galt schon lange Zeit als vielversprechendes Talent und macht mittlerweile international Karriere. Der Preisträger des internationalen ARD-Musikwettbewerbs, der 2018 von den ICMA mit dem Titel „Young Artist of the Year“ und von music:LX mit dem Titel „Export Artist of the Year“ ausgezeichnet wurde, hat 2019 zusammen mit dem OPL das „Konzert für Klangwerk und Orchester“ von Georg Friedrich Haas in der Philharmonie uraufgeführt. Auch der renommierte Luxemburger Komponist Alexander Müllenbach und der Preisträger des ICMA-Preises Ivan Boumans haben Stücke für ihn geschrieben.

Die Liste der Luxemburger Komponisten oder der Solisten, die von Luxemburg aus Karriere machten, ist ebenfalls lang. Hier wäre z. B. die Flötistin des OPL Hélène Boulègue zu nennen, von der gerade zwei Alben mit Werken von André Jolivet erschienen sind, oder auch die Sopranistin Stephany Ortega. Sie hat mit der Pianistin Léna Kollmeier das Duo Rosa gegründet und zwei Alben mit Stücken von Manuel de Falla, Leonard Bernstein und ein Lied des luxemburgischen Komponisten Camille Kerger aufgenommen.

Luxemburg bietet auch zahlreiche Karrieremöglichkeiten in musiknahen Bereichen wie z. B. Konzertorganisation, Regie, Tontechnik, Musikpädagogik oder Forschung zur Musikgeschichte Luxemburgs an der Universität Luxemburg. Die Möglichkeiten sind so zahlreich wie vielfältig.

LCM ©Alfonso Salgueiro

Über die Luxemburger Musikszene wird regelmäßig in den Tageszeitungen wie dem Luxemburger Wort und dem Tageblatt oder auch dem internationalen Online-Journal Pizzicato.lu (das 2020 mehr als 2 Millionen Mal aufgerufen wurde) und dem öffentlich-rechtlichen Sender „Radio 100,7“ berichtet. Allein 2019 zeichnete der Sender 93 Konzerte von Luxemburger Musiker:innen, Ensembles und Orchestern auf und strahlte sie aus. Da „Radio 100,7“ Mitglied der Europäischen Rundfunkunion (EBU) ist, wurden mehrere dieser Aufzeichnungen von öffentlich-rechtlichen Sendern anderer Länder ins Programm aufgenommen und ausgestrahlt – 2019 insgesamt 146 Mal. Die Konzerte des OPL und der SEL sind insbesondere in Hongkong, Kanada, Südkorea und Brasilien im Radio gelaufen.

Die Luxemburger Musikszene wird vom Ministerium für Kultur unterstützt, das Festivals, Kulturhäuser und Projekte von einzelnen Musikern und Ensembles mitfinanziert und jedes Jahr bei luxemburgischen Komponisten Werke in Auftrag gibt. Die Verwertungsgesellschaft SACEM Luxembourg fördert Projekte, um Uraufführungen zu ermöglichen und die luxemburgische Musik besser zur Geltung zu bringen. Um auch außerhalb Luxemburgs ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, können sich die Musiker:innen an music:LX wenden, jetzt Kultur | lx. Neben dem 2020 eingeführten „Global Project Grant“, das jedes Jahr ein Projekt eines Musikers oder Ensembles finanziert, gewährt Kultur | lx insbesondere finanzielle Förderungen für Tourneen, Marketing und Promotion. Eine weitere Aufgabe von Kultur | lx besteht darin, Musiker:innen über ausländische Märkte zu informieren und sie aktiv an Networking und Promotion zu erinnern.

Luc Boentges, Musikredakteur radio 100,7
Mai 2021