Panorama

Kunsthandwerk
Doris Becker_Wheels, 2019 © DR
Kunsthandwerk

Kunsthandwerk

Im Kunsthandwerk trifft man vor allem auf Männer und Frauen, die einer Leidenschaft nachgehen. An der Schnittstelle von Schönem und Nützlichem bearbeiten, restaurieren und designen sie echte Unikate. Meist fungieren sie als Bewahrer:innen der von ihren Meister:innen und Lehrer:innen erlernten Handgriffe und Fertigkeiten und geben diese auch an künftige Generationen weiter. Kunsthandwerker:innen sind in den unterschiedlichsten, manchmal verblüffenden Bereichen tätig, von Dekoration über Mode, Schauspielkunst, Industrie oder Kulturerbe bis hin zur Architektur.

Wie in unseren meisten europäischen Nachbarländern feiert das Kunsthandwerk im Großherzogtum heute und schon seit einigen Jahren dank zahlreicher Ausstellungen und einer sehr breiten öffentlichen Anerkennung ein echtes Revival.
Das Kunsthandwerk, ein durch fehlende Ausbildung und einen starken Rückgang der Wissensweitergabe geschwächter Bereich, erscheint heute in Luxemburg äußerst lebendig und vor allem erstaunlich vielfältig. So findet man abgesehen von dem traditionellen Fachwissen in den Bereichen Steingut, Holz oder auch Metall, die historisch mit den vorhandenen Rohstoffen und der Geschichte Luxemburgs zusammenhängen, so unterschiedliche Metiers wie Glaskünstler, Filzmacherin, Klavierbauer, Steinmetzin, Gold- und Silberschmied, Weber, Lackiererin... oder auch Marionettenbauer, Betondesignerin oder Kunststoffverarbeiter. Insgesamt zählt man über 50 Kunsthandwerksberufe im Großherzogtum.

Einrichtungen

Wie alle Handwerker sind auch Kunsthandwerker der Handwerkskammer zugeordnet, bei der die meisten auch Mitglied sind.
Diese gründete zusammen mit der BCEE den gemeinnützigen Verein De Mains De Maîtres Luxembourg, der vom Kulturministerium und vom Wirtschaftsministerium sowie der Stadt Luxemburg unterstützt wird.
Ziel des Verbands ist die Förderung des Kunsthandwerks in Luxemburg und in Europa. Seit 2016 veranstaltet er die gleichnamige Biennale, die alle zwei Jahre jeweils Ende November im 19 Liberté und an verschiedenen Kulturorten in Luxemburg-Stadt stattfindet.
Rechnet man Druck, Grafik und Fotografie nicht mit, bleiben noch fast 450 Kunsthandwerker:innen, die aus Luxemburg stammen oder im Großherzogtum arbeiten, die meisten von ihnen als Selbständige oder in einer Werkstatt mit weniger als 10 Personen.

Zwei weitere gemeinnützige Vereinigungen, der CAL (Cercle Artistique du Luxembourg) und die AAPL (Association des Artistes Plasticiens du Luxembourg) vertreten und verteidigen die Interessen und Rechte der bildenden Künstler:innen in Luxemburg und damit auch der Kunsthandwerker:innen.

Ausbildung

Zwar wird in Luxemburg überhaupt keine Ausbildung mehr angeboten, doch in unseren Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Belgien existieren noch zahlreiche Ausbildungsgänge, manchmal in unmittelbarer Nähe der luxemburgischen Grenze. Bei Glas wäre das CIAV (Centre International d’Art Verrier) in Meisenthal (FR) oder das CERFAV (Centre Européen de Recherche et de Formation aux Arts Verriers) in Vannes-le-Chatel (FR) zu nennen, für Textil und Mode gibt es die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Trier (DE) oder auch Kunstschulen mit Töpfer-, Glas- oder Goldschmiedwerkstatt wie La Cambre in Brüssel (BE) oder die HEAR (Haute École des Arts du Rhin) in Straßburg (FR). Etwas weiter entfernt entstand in Südfrankreich mit den Ateliers du Faire der Fondation Martell in Cognac (FR) jüngst eine sehr innovative Initiative, bei der etablierte Einrichtungen wie das CIRVA (Centre International du Verre et Arts Plastiques) in Marseille oder das CRAFT (Centre de Recherche des Arts du Feu et de la Terre) in Limoges regelmäßig Residenzkünstler:innen aller Nationen aufnehmen.

Stipendien und Fördermittel

Mehrere Stipendien und kulturelle Fördermittel werden regelmäßig an Kunsthandwerker:innen vergeben:

Ausbildungsstipendien erhielten 2017 Sarah Meyers (Keramikerin), 2019 Doris Becker (Keramikerin), Anne-Claude Jeitz (Glasmacherin) und Ellen Van der Wood (Keramikerin).

Kulturelle Fördermittel wurden im Januar 2021 an Romy Collé (Goldschmiedmeisterin), Nancy Fis (Schmuckdesignerin), Katarzyna Kot-Bach (Holzschnitzerin), Tine Krumhorn (Designerin), Iva Mrazkova & Jean Bichel (Bildhauerin und Kunstschmied), Karolina Pernar (Holzschnitzerin), Maïté Schmit (Schmuckdesignerin), Alejandra Solar (Schmuckdesignerin) und Birgit Thalau (Schmuckdesignerin) vergeben.

Meyers & Fügmann_Duotone ©Meyers & Fügmann

Partner in Europa

Auf europäischer Ebene wurde De Mains de Maîtres Luxembourg Mitglied im World Craft Council Europe, der 2019 sein 40-jähriges Bestehen feierte, und knüpfte Beziehungen zu Verbänden in den Nachbarländern Luxemburgs, zu den AAF (Ateliers d‘Art de France), einem französischen Kunsthandwerkerverband mit über 6.000 Mitgliedern, zu Be Craft in Belgien, in dem sich die wichtigsten Künstler:innen der angewandten Kunst zusammengeschlossen haben, oder zur 2016 vom Richemont-Konzern gegründeten Fondation Michelangelo in der Schweiz, die sich als Dachorganisation für Kunsthandwerker:innen in Europa versteht.

Ausstellungen und Events

Bei der Premiere der 2016 ins Leben gerufenen Biennale des Métiers d‘Art wurden im prestigeträchtigen Rahmen des historischen Gebäudes 19 Liberté 50 luxemburgische oder im Großherzogtum tätige Kunsthandwerker:innen ausgestellt und ca. 20 europäische Kunsthandwerker:innen eingeladen. Die Veranstaltung war mit über 10.000 Besucher:innen ein absoluter Publikumserfolg. 2018 wurde die Biennale in Form eines Parcours durch diverse Museen und Kulturorte in Luxemburg-Stadt veranstaltet, bei dem 70 Luxemburger Kunsthandwerker:innen und ca. 40 Kunstschaffende aus Europa zu sehen waren. Die für 2020 geplante dritte Biennale musste wegen Corona verschoben werden und findet voraussichtlich im November 2021 statt.
Das luxemburgische Kunsthandwerk wird auch im Rahmen von Esch 2022, Europäische Kulturhauptstadt, vertreten sein, und zwar mit der Ausstellung CRAFT 3.0, die im Frühjahr 2022 im 1535 in Differdange stattfindet.

International werden Luxemburger Kunsthandwerker:innen seit 2017 beim Salon Révélations ausgestellt, der wichtigsten Biennale für Kunsthandwerk in Europa. Luxemburg war in diesem Rahmen im Frühjahr 2019 mit 35 Kunstschaffenden Ehrengast und wird voraussichtlich an den nächsten Révélations im Frühjahr 2022 teilnehmen. Ausgewählte luxemburgische Kunstschaffende sind seit 2018 auch bei Homo Faber vertreten, einem alle zwei Jahre in Venedig unter der Schirmherrschaft der Fondation Michelangelo stattfindendem Großevent für Kunsthandwerk, das voraussichtlich im September 2021 zum nächsten Mal stattfinden wird.

In London trifft sich auf der Collect Art Fair jedes Jahr eine Gruppe ausgewählter internationaler Kunsthandwerker:innen auf Initiative des englischen Craft Councils.

Luxemburger und internationale Preise

Ein Publikumspreis und ein Preis der Jury werden alle zwei Jahre bei der Biennale des Métiers d’Art vergeben, 2016 gingen sie an zwei Keramiker:innen: Damiano Tussilagine und Ellen Van der Woude, 2018 an Léa Schroeder (Keramikerin) und Claude Schmitz (Goldschmied).

In Europa gibt es mehrere bedeutende Kunsthandwerkspreise, zum Beispiel Intelligence de la Main, der jedes Jahr von der Fondation Bettencourt Schueller (Frankreich) vergeben wird, oder der von der spanischen Nobelmarke Loewe ausgelobte Loewe Craft Prize. Allerdings wurde bisher kein:e Luxemburger Kunsthandwerker:in für einen dieser beiden Preise nominiert.

In Belgien werden mit dem Prix Tremplin von Be Craft und in Frankreich mit dem Prix Jeune Création der Ateliers d’Art de France und dem Prix Matières Libres der gleichnamigen Vereinigung junge Kunstschaffende ausgezeichnet, die ihre Ausbildung in angewandter Kunst erfolgreich abgeschlossen haben.
Mit dem Blanc de Chine International Ceramic Art Award wiederum wird alle zwei Jahre weltweit ein Porzellankunstwerk prämiert.

©Claude Schmitz

Eine Auswahl bekannter Luxemburger Kunsthandwerker:innen

Pascale Seil ist eine berühmte Glasbläserin mit Laden und Glasbläserwerkstatt in Berdorf. Im Großherzogtum ist sie für ihre mundgeblasenen Glasskulpturen und andere Dekorationsgegenstände bekannt, die gut an ihrer Farbpalette zu erkennen sind.

Anne-Claude Jeitz und Camille Jacobs, zwei weitere Glaskünstlerinnen, genießen international mehr Bekanntheit als in ihrer Heimat.

Katarzina Kot-Bach (Holzschnitzerin), Wouter van der Vlugt (Holzschnitzer) und Tom Flick (Steinmetz) gründeten ein Künstlerkollektiv im Sixthfloor, sind auf der Luxembourg Art Fair vertreten und ihr Tag der offenen Tür in Koerick ist Jahr für Jahr ein großer Erfolg.

Doris Becker und Ellen van der Woude wiederum sind bekannte Größen im Bereich Keramik und stellen regelmäßig im Ausland aus.
Marie-Isabelle Callier bekannt für ihre Zeichnungen auf Wachs und Autorin des jüngst erschienenen Werks Mystères au Musées für die Amis du Musée du Luxembourg, gestaltete 2020 auch zwei Weihnachtsbriefmarken für die Luxemburger Post.

Zahlreiche Kunsthandwerker:innen eroberten den öffentlichen Raum im Rahmen kommunaler Aufträge, etwa Bettina Scholl-Sabbatini, Iva Mrazkova und Jean Bichel oder auch Yvette Gastauer welche die luxemburgische Seite der Euro-Münzen entwarf.

Ellen van der Woude_ A Prickly Package, 2016 ©Ellen van der Woude

Das Kunsthandwerk in den Medien

Es gibt in Luxemburg nicht wirklich Fachmedien für Kunsthandwerk, vergleichbar mit der Revue de la Céramique et du Verre (FR) oder dem The Log Book (UK), oder Medien, in denen dieses Thema regelmäßig zusammen mit anderen künstlerischen Aktivitäten behandelt wird, wie Collect und L‘Eventail (BE), Beaux-Arts Magazine, Connaissanse des Arts oder L‘Oeil (FR).

Publikumsmedien wie Paper Jam befassen sich regelmäßig mit dem Thema, auch RTL und Radio 100,7 berichten über alle Veranstaltungen im Zusammenhang mit Kunsthandwerk. Über einige Kunstschaffende wurden im Rahmen der Artbox von RTL Télé 20-minütige Features erstellt, wie zum Beispiel über den Couturier Ezri Kahn (2018) oder den Holzschnitzer Wouter van der Vlugt (2015).

Jean-Marc Dimanche
Mai 2021