Panorama

Musik Pop/Rock
MAZ ©Zach Glavan
Musik Pop/Rock

Musik Pop/Rock

Wir befinden uns in den 1980er-Jahren. In unseren Nachbarländern (Frankreich, Belgien, Deutschland) schießen Bands und Musiker wie Pilze aus dem Boden und feiern national wie auch international Erfolge. Die Konzerthallen füllen sich, und manche von ihnen sind schon bald legendär (Forest National und Ancienne Belgique in Brüssel, Zénith in Paris usw.).

In Luxemburg hingegen herrscht Flaute, zumindest was die Infrastruktur betrifft. Keine Konzertsäle (bis auf die Kulturfabrik in Esch, die aber aus offensichtlichen Sicherheitsgründen schnell ihre Pforten schließen muss), keine Plattenfirmen oder -labels… aber Musiker, Bands… und die ersten Plattenläden! Wenn es doch Konzerte gibt, dann hauptsächlich in Gemeindesälen oder Sporthallen, mit mehr oder weniger guter Ausstattung.

In den 1990er-Jahren kommt jedoch Bewegung in die Luxemburger Rock- und Pop-Szene! Zwar gibt es nach wie vor keine professionellen Strukturen, aber quasi jede Woche werden neue Bands und mit ihnen die ersten Kollektive gegründet. Als logische Konsequenz sehen sich Bands und Musiker gezwungen, zu improvisieren und ihre eigenen kleinen Labels und Musikverlage zu gründen. DIY, „Do It Yourself“ – so lautet das Motto dieser Zeit, das an eine echte musikalische Tradition in Luxemburg anknüpft und Bands dazu bringt, ihre Karriere eigenständig zu managen, von A bis Z.

Und musikalisch wird jetzt voll aufgedreht, mit einer großen Rock-, Punk- und Hardcore-Szene und Bands, die beginnen, ordentlich Bewegung in die Sache zu bringen, wie beispielsweise dEFDUMp, Petrograd und einige andere. Anlaufstelle ist meistens die Kulturfabrik die nach der Renovierung 1998 ihre Tore wieder öffnet. Ebenfalls bemerkenswert: die erstaunliche Electro-House-Szene und die Anfänge des Atelier, dem Top-Veranstaltungsort für Live-Musik in Luxemburg-Stadt!

In den 2000er-Jahren beginnt auch die Politik, die Bedeutung des Genres zu erkennen. Die Gründung der Rockhal und ihres Centre de Ressources 2005 bringt weiteren Schwung in die Luxemburger Szene und etabliert das Land in der Musiklandschaft. Den Musikgruppen stehen fortan nützliche Ressourcen zur Verfügung, denn neben der wachsenden Zahl von Auftrittsmöglichkeiten entstehen auch viele Proberäume. Einige Kollektive, die sich immer besser organisieren, nutzen die Gunst der Stunde. Wenn Sie diese Zeit dort erlebt haben, dürften Ihnen Namen wie Backline !, Winged Skull, Own Records oder auch Schalltot bekannt sein.

In den nächsten Jahren werden Bands und Musiker immer professioneller, und es entstehen neue Konzerthallen. Hierzu zählen u. a. Rotondes, das Gudde Wëllen, das Aalt Stadhaus oder auch Opderschmelz.

Erwähnenswert ist auch die Gründung von music:LX 2009, ein im wahrsten Sinne des Wortes Exportbüro für Musik „Made in Luxembourg“, das ebenfalls – ausgestattet mit den entsprechenden Mitteln – die Präsenz von Musikbands fördert, hauptsächlich im Ausland. Eine Herkulesaufgabe, die heute, zehn Jahre später, beginnt, wirklich Früchte zu tragen, und mit der Einbindung in Kultur | lx neue Impulse erhält.

Napoleon Gold_ ©Zach Glavan

Die Konzerthallen

Es ist nicht zu leugnen: Für ein Land mit 600 000 Einwohner:innen verfügt Luxemburg letztendlich über verhältnismäßig viele Locations, an denen man Musik hören und/oder machen kann. Neben der Rockhal (Hauptakteur der Luxemburger und internationalen Musikszene und die größte Halle in Luxemburg) gibt es zahlreiche weitere Locations, die überall im Land verstreut sind und alle ihre eigenen Besonderheiten und Schwerpunkte haben. Hier einige Beispiele:

Rockhal :
Ihre Vorteile: die große Halle mit 6 500 Plätzen und ein Club mit 1200 Plätzen; hinzu kommt das Centre de Ressources, speziell für lokale Künstler:innen. Hier sind alle Musikrichtungen vertreten!

Den Atelier :
DER Club überhaupt und ein Muss für jede Band, die etwas bekannter ist und durch Europa tourt! Von Moby bis Faith no More – hier waren schon alle und hierhin werden auch alle zurückkehren!

Kulturfabrik :
Mit ihrem ausgefallenem Programm ist die Kulturfabrik die Top-Adresse für alle, die neugierig auf neue musikalische Trends sind!

Rotondes :
Das vielseitige Programm dieser etwas kleineren Location ist vor allem etwas für Fans der alternativen Musik.

Opderschmelz :
Am Kulturzentrum opderschmelz in Düdelingen führt kein Weg vorbei, wenn man sich für die regionale Musikszene begeistert! Auf dem Programm stehen vor allem Folk, Blues, Jazz usw.

Aalt Stadhaus :
In Differdingen spielt eindeutig hier die Musik! Ein überschaubarer Konzertsaal (200 Plätze) mit abwechslungsreichem Programm.

De Gudde Wëllen :
Eine sympathische Location, die der Bezeichnung „Café-concert“ alle Ehre macht.

Zusätzlich zu diesen Sälen, die alle mit guten Ton- und Lichtanlagen ausgestattet sind, gibt es noch zahlreiche Cafés, Bars und andere kleine geschlossene Locations, in denen Musikgruppen auftreten dürfen.

©Lynn Theisen

Die Festivals

Die Festivals werden häufig von den Konzertsälen organisiert und haben auch alle ihre eigenen Schwerpunkte.

Die Rockhal organisiert jedes Jahr das Festival Sonic Visions, mit einer Mischung aus internationalen Newcomern, lokalen Bands und Headlinern. Seit einigen Jahren hat sich das Festival zudem zu einem Treffpunkt für Berufsmusiker:innen entwickelt, die zusätzlich zu den Konzerten in den Abendstunden auch an Tagungen, Workshops und Diskussionsrunden teilnehmen können. Für lokale Nachwuchsbands gibt es auch das Festival Screaming Fields, das zusammen mit den Schulen der Stadt organisiert wird.

Das Atelier, mit alternativerem Touch und Electro lädt jeden Sommer in die prächtige Kulisse der Abbaye de Neumünster zum Festival Siren’s Call.

Die Kulturfabrik, wiederum organisiert zusammen mit dem Kollektiv Schalltot das Festival Out of the Crowd ; das den Schwerpunkt in erster Linie auf Rock legt, aber auch anderen verwandten Stilrichtungen eine Bühne bietet. Die Kufa knüpft zudem an ihre früheren Ambitionen an, dem politisch engagierten Punk-Rock, und ruft in diesem Sinne 2019 das Festival Esch Calling ins Leben.

Der Saal Opderschmelz in Düdelingen nimmt die Hörer:innen mit auf eine Zeitreise: Dort treten die besten keltischen Partymusik-Bands beim Festival… Zeltik ! auf. Ein anderer Termin im Kalender, den man in Düdelingen nicht verpassen sollte, ist das Festival Like a jazz machine.

Aber auch in den Städten kommen Rock-Pop-Fans auf ihre Kosten! Luxemburg-Stadt organisiert seit 30 Jahren jedes Jahr das große Festival Rock um Knuedler, das mitten im Stadtzentrum auf dem Place Guillaume II stattfindet. Der Eintritt ist frei! Intimer, aber nicht weniger angesagt ist das Festival Blues and Jazz Rallye, das seine Bühne in Clubs, Restaurants und Cafés der Stadt hat. Das Festival MeYouZik schließlich konzentriert sich auf Weltmusik und präsentiert sich als eine Art Dorf, in dem Musikgruppen, NGOs und andere humanitäre Vereinigung zusammenkommen. In den Rotondes, wiederum ist der August mit den Congés annulés der Festival-Monat.

Auf internationaler Ebene ist Luxemburg seit einigen Jahren auch auf den meisten europäischen Nachwuchsfestivals vertreten wie dem MaMa in Paris, dem Festival Eurosonic in Groningen (Niederlande), dem Primavera in Barcelona, dem Reeperbahn Festival in Hamburg oder auch dem Printemps in Bourges.

©Lynn Theisen

Die Förderungen

Wie viele andere Länder stellt auch Luxemburg dem Musiksektor eine Reihe von Förderungen zur Verfügung.
Diese Förderungen lassen sich in zwei zentrale Bereiche unterteilen:

Förderungen durch Kooperationen

Die Förderungen kommen direkt von den Konzertsälen selbst.

Die Rockhal, pbeispielsweise organisiert über ihr Centre de Ressources und das Rocklab zahlreiche Möglichkeiten zur besseren Sichtbarkeit von Gruppen und/oder Künstler:innen. Vorgruppen, Workshops, Tagungen, Buchläden, Probenräume, Tonstudios usw.

Auch die Kulturfabrik, bietet die Möglichkeit, Proberäume zu mieten. Zudem organisiert sie im Rahmen einer Kooperation mit dem SNJ (Service national de la jeunesse) jedes Jahr das Soundcamp, bei dem junge Bands eine Woche lang von Profis gecoacht werden.

Finanzielle Förderungen

Für eine finanzielle Förderung muss in der Regel eine vollständige und in sich schlüssige Bewerbung eingereicht werden. Ob es nun um den Dreh eines Clips, die Produktion eines Albums oder einen anderen Antrag geht, eines ist sicher: Es ist einen Versuch wert! Das Ministerium für Kultur, die SACEM, der Focuna (Fonds Culturel National Luxembourgeois) oder die „Œuvre“ (Œuvre Nationale de Secours Grande-Duchesse Charlotte) sind nur einige Anlaufstellen für Fördermöglichkeiten. Und wenn Sie mit dem Ausland liebäugeln, dann ist Kultur | lx, früher music:LX, genau die richtige Adresse für Sie…

Seed To Tree ©Patrick Cameron

Die Musikindustrie

Aufgrund seiner Größe ist in Luxemburg nicht das gesamte Spektrum der Musikbranche vertreten. So gibt es streng genommen nach wie vor keine oder nur wenige richtige Platten- oder Vertriebsfirmen. Seit einigen Jahren jedoch entstehen in der lokalen kulturellen Landschaft kleine professionelle Strukturen, die zahlreiche Services anbieten. Hier einige Beispiele:

- FOQUS – bezeichnet sich selbst als eine Gruppierung von „Creators“ und bietet Künstler:innen des Sektors einen Komplettservice an, vom Künstlermanagement bis hin zur Erstellung von Videos.
- KONEKTIS Entertainment – eine Bookingagentur mit einigen sehr bekannten Namen der Luxemburger Szene, wie beispielsweise David Galassi oder Elvis Duarte.
- DE LÄBBEL – muss man wegen seines Einflusses und seiner Präsenz, insbesondere durch die Organisation von Hip-Hop-Konzerten, nicht weiter vorstellen; ist im Laufe der Jahre enorm gewachsen.
- TWO STEP TWICE – eine weiterer Anbieter mit Rundumservice.

Natürlich werden Musikerkarrieren auch heute noch ganz oder teilweise ehrenamtlich gemanagt, sozusagen als Freundschaftsdienst. Auch das gute alte DIY-Prinzip, bei dem Bands und Künstler:innen vieles selber machen, ist nicht selten.


Im Übrigen gibt es nach wie die Möglichkeit einer Ausbildung im Ausland. Die MAI (Music Academy International) in Nancy ist hier nach wie vor eine gute Wahl. Es gibt aber auch einige, die ihre Ausbildung an einer der namhaften Musikakademien in England jenseits des Ärmelkanals absolvieren.

Ein Beruf ist jedoch in Luxemburg voll im Trend: der des Producers. Ob im Rock oder im Hip-Hop – manche Menschen (früher häufig selbst Musiker:innen!) legen ein echtes Talent an den Tag und haben deshalb in richtige kleine Tonstudios investiert – mit nicht wenig Erfolg!

Jeder Konzertsaal hat natürlich seine eigenen Teams, für die Technik (Ton- und Lichttechniker, Stage Manager, Bühnenarbeiter usw.) ebenso wie für die Verwaltung (Programmgestalter, Marketing und Kommunikation usw.).

Say Yes Dog ©Benjamin Heidrich

Die Medien

Die Größe Luxemburgs schlägt sich natürlich auch in der Medienlandschaft nieder. So wird im Radio wie auch in der Presse immer auch über lokale Akteure berichtet.

Radios

Der größte Radiosender ist RTL. Neben RTL gibt es Eldoradio – der wichtigste Sender für junge Menschen – Radio 100.7 mit einem alternativeren Angebot und der mehrsprachige Sender Radio ARA mit einem recht vielseitigen Programm. Alle Sender spielen auch luxemburgische Musik.

Presse

Eine kostenlose Tageszeitung mit rund 100 000 Exemplaren (L’Essentiel) sowie einige andere seriöse Zeitungen, in denen aber letztendlich nicht viel über die lokale Musikszene berichtet wird. Jedoch gibt es einige kostenlose Magazine wie Janette und Bold, die auf lokale Musiker:innen und Künstler:innen aufmerksam machen.

Nicht zuletzt findet man Informationen über unsere Künstler:innen am einfachsten in den sozialen Netzwerken, z. B. auf den Facebook-Seiten der zuvor genannten Akteure.

Luxemburg „goes international“

Zwar ist Luxemburg flächenmäßig ein kleines Land, aber das hat Bands und Künstler:innen nicht daran gehindert, sich schnell im Ausland zu versuchen, sobald sie einmal in Luxemburg etabliert waren.

In den 1990er-Jahren sind T42, später Dream Catcher, Folk-Pop-Bands mit John Rech als Bandleader (heute Direktor des Kulturzentrums Opderschmelz), mehrmals durch Europa getourt.

Wenig später und mit einem weniger lässigen Genre sucht auch die Hardcore-Band dEFDUMp ihr Glück im Ausland – mit Erfolg: In Osteuropa spielen sie sogar vor mehreren Hundert Fans!
Einige herausragende Gruppen folgten, darunter Mutiny on the Bounty (Math-Rock), Eternal Tango (Rock), Low Density Corporation (Electro-Pop) oder auch Rome, ein Dark-Folk-Projekt von Jérôme Reuter, das er fast in die ganze Welt exportiert hat.

Heute sind es vor allem Hip-Hop-Künstler, die besonders erfolgreich sind. Eric Bintz beispielsweise – das eher unter dem Pseudonym Cehashi, bekannte Allroundtalent – hat insbesondere mit einigen Rap-Größen wie Youssoupha, IAM und Oxmo Puccino zusammengearbeitet. Weitere Erfolgsbeispiele sind Majestick, De Läb – ein vor allem in der lokalen Szene aktives Kollektiv – und Maz, ein Rapper mit beeindruckendem Flow.

Die aktuelle Musikszene Luxemburgs ist deutlich vielseitiger und spiegelt die Multikulturalität des Landes wider, mit jungen Talenten wie Edsun, der in den letzten Jahren mit seinem hybriden Stil, der Dance und R&B miteinander verbindet, viel von sich reden machte; ebenso derzeit der Pop-Singer-Songwriter Chaild, smit seiner samtigen Stimme oder C’est Karma und ihrem ausgefallenen Folk sowie Francis of Delirium mit ihrem Grunge à la Gen-Z und durchdringenden Messages.

Romuald Collard
Mai 2021