Panorama

Multimediakunst und digitale Kunst
Steve Gerges_Cronos_©Gerges
Multimediakunst und digitale Kunst

Multimediakunst und digitale Kunst

Digital- und Multimediakunst in Luxemburg

Um es gleich vorwegzunehmen: Eine echte Branche für digitale Kunst und Multimediakunst gibt es in Luxemburg (noch) nicht, zumindest nicht, wenn man unter Branche einen klar strukturierten, definierten Kunst- und Wirtschaftszweig versteht.

Doch auch wenn bis zur Entstehung einer solchen Branche noch unzählige Codezeilen zu schreiben sind, neue Technologien und digitale Tools werden doch von bestimmten Künstler:innen in Luxemburg ganz real in ihrem kreativen Schaffen eingesetzt. Einige von ihnen bauen ihre künstlerische Praxis auf Technologie auf, bei anderen entscheidet der Entwurf darüber, ob und welche Technologien eingesetzt werden. Was bleibt, ist das Eingeständnis, dass heute nur wenige von sich selbst behaupten, digitale Künstler:innen zu sein. Ist das eine Folge oder ist es der Grund für die Nichtexistenz dieser Branche in Luxemburg?

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, ist dieser Artikel ein erster Versuch der Kartografierung der Bereiche der Kunst, die man in Luxemburg als digitale Kunst und Multimediakunst betrachten kann, ihrer Akteure, Daten und zentralen Orte.

Der erste Teil befasst sich demnach mit dem relativ langen Zeitraum von 1996 bis 2021 und beinhaltet einen Abriss der Trends unter luxemburgischen Künstler:innen zur Einbindung neuer Technologien in ihre Kunstform.

Im zweiten Teil werden die wichtigsten Fördermöglichkeiten vorgestellt, die derzeit für multidisziplinäre Projekte mit unterschiedlichen Technologien zur Verfügung stehen.

Im dritten Teil werden einige schulische und außerschulische Ausbildungen aufgelistet, die in Luxemburg all jenen offenstehen, die sich für künstlerische Zwecke in Technologien ausbilden lassen und/oder ihr theoretisches Rüstzeug für digitale Kunst und Multimediakunst erwerben wollen.

Bestandsaufnahme: 1990 bis heute

VJing und Mapping :

Alles beginnt mit zwei VHS-Kassetten und in Echtzeit auf dem Bildschirm gemischten Bildern. So etwas hat man bisher noch nicht gesehen. Man schreibt das Jahr 1996 und die Szene spielt sich in Hollerich im Konzertsaal Den Atelier ab. Der Mann hinter dem Video-Mischpult heißt Paul Schumacher (Jahrgang 1965) und wird später unter seinem Künstlernamen Melting Pol bekannt werden. VJing war in Luxemburg angekommen und fand schnell weitere Fans wie das Kollektiv Visual Delight von Steve Gerges, der eine wichtige Figur in der digitalen Kunst in Luxemburg werden sollte.

Inspiriert von den Techno-Partys, die er in Brüssel besucht hatte, begann Melting Pol damit, immer öfter seine Videos zu mischen, die oft „on the spot“ bei Events wie der Open Air Party am Echternacher See, die später unter dem Namen e-Lake Festival einer der Eckpfeiler der elektronischen Musik in Luxemburg werden sollte, aufgenommen worden waren. Paul stritt sich oft mit den Bühnentechnikern, die die Bühne mit Videoprojektionen von Licht und Rauch überspülten, bahnte sich aber doch seinen Weg und organisierte seine eigene Eventreihe, die Melting Sessions, wo er Musiker:innen und Künstler:innen bei Light-and-Sound-Impro-Sessions zusammenbrachte. 2010 machte er sein erstes Mapping: eine angepasste Video-/Grafikprojektion auf ein Gebäude, die dessen Architektur mit einbezieht. Mittlerweile ist das sein Markenzeichen, unter dem ihn die breite Masse kennt. Es gibt in Luxemburg fast kein Mapping-Event, bei dem der Name Melting Pol nicht auf dem Plakat steht.

Ein anderer Künstler, auf den Videoprojektionen eine Faszination ausüben, ist Steve Gerges (Jahrgang 1976). Gerges machte sich 2009 einen Namen, als er die Band Artaban auf der Bühne mit Videoprojektionen begleitet. Seine von Science Fiction und Raumfahrt inspirierten visuellen Kreationen, die das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine thematisieren, fanden später andere Ausdrucksformen: interaktive Installationen wie LAN 1.03 (2014, Carré Rotondes) und LAN 2.0 (2015, Rotondes im Rahmen von Cycle Loop), das immersive Videomapping Cronos (2016 im Rahmen von Luxembourg Light Nights), die dynamische Lichtskulptur (2017 im Rahmen von Multiplica) sowie die audiovisuelle Skulptur zur Entstehung des Universums ONE (2019, Galérie Indépendance).

Steve Gerges Multiplica_Rise of the machines_ ©Sven Becker

Die 2000er-Jahre, net.art und Second Life:

2006 lud die Galerie Dominique Lang in Düdelingen am 19. Januar zur Vernissage der Gruppenausstellung [observe_adapt_direct] ein. Bei den Installationen der Künstlerin Sneja_D (Jahrgang 1971) Direct I und Direct II wurden beim Betreten des Saals durch die Besucher:innen mit Bewegungsmeldern überraschende, erheiternde Videosequenzen von nackten Menschen ausgelöst. Sneja Dobrosavljevic hat einen Master of Digital Arts des Camberwell College of Arts/UAL und erforscht seit 2006 die virtuelle Welt Second Life für ihre Kreationen. Mit dem Stück joinmein50years (2013) sollte sie eines der wenigen net.art Kunstwerke in Luxemburg schaffen.

Pit Vinandy (Jahrgang 1960), in der Öffentlichkeit bekannt als Cyber Piper, den die Multimedia-Regisseurin Beryl Koltz in ihrem Film Strangers in the Night (2011) porträtierte, verwendete ebenfalls die virtuelle Welt Second Life für seine Kreationen. Eines seiner letzten Projekte, der virtuelle Spaziergang durchs Pfaffenthal 1867, kann noch immer auf der Website des Lëtzebuerg City Museum angesehen werden.

Erste nationale und internationale Anerkennung Luxemburger Künstler:innen im Bereich digitale Kunst:

Eine Ausstellung, die als kultureller Meilenstein in Luxemburg* betrachtet werden kann, ist AFK (Away From Keyboard) (Kuratorin: Margherita Balzerani), präsentiert vom 29. Januar bis 1. Mai 2011 im Casino Luxembourg – Forum d‘Art contemporain. Die luxemburgische Künstlerin Laura Mannelli (Jahrgang 1980) und das Kollektiv Atopia, bestehend aus ihr selbst, Frederick Thompson und Kanika Langlois, sind die Initiator:innen dieser Gemeinschaftsausstellung, die gewissermaßen wie ein Ufo in der Luxemburger Kulturlandschaft aufschlägt und Bewunderung, aber auch ein gewisses Unverständnis der Kritik in der lokalen Presse hervorruft. Mit etwas Abstand ist AFK (Away From Keyboard) jedoch ein wichtiger erster künstlerischer Gemeinschaftsvorschlag, der sich mit Virtual Reality befasst, einer in der digitalen Kunst wichtigen Thematik, nicht nur, weil virtuelle Kunstwerke in einer Luxemburger Kultureinrichtung präsentiert werden, sondern weil er eine Diskussion über diese für unsere Zeit so typischen neuen Realitäten anstößt.


Virtuelle Realitäten und ihr Verschmelzen mit unserem, sagen wir biologischen Leben sind auch Themen, für die sich die Künstlerin Laura Mannelli in ihrem Werk interessiert. Die Absolventin der École Nationale Supérieure d‘Architecture Paris-Mallaquais ist eine echte Künstlerin der Generation Y. Aufgewachsen in den letzten Jahrzehnten der jüngsten Geschichte, in denen sich die wichtigsten Etappen der digitalen Revolution ereigneten, von der Demokratisierung des Computers in den 1980er-Jahren bis hin zur Verbreitung sozialer Netzwerke in den 2000er-Jahren, ist ihre Praxis heute am Schnittpunkt von bildender Kunst, Schauspiel, Virtual Reality, Film, Videospiel und Architektur angesiedelt.

*: Ebenfalls zu nennen: Die Ausstellung China Power Station: Part III, die vom 26. April bis 15. September 2008 im Mudam Luxembourg – Musée d'Art Moderne Grand-Duc Jean stattfand und bei der Video und insbesondere neue Technologien eine erste wichtige Ausstellungsplattform in Luxemburg fanden.

In Paris gründete die Künstlerin 2008 den Verein Human Atopic Space (HAS) gemeinsam mit Pierre Cornette de Saint Cyr, Margherita Balzerani und Frederick Thompson. In den fünf Jahren seines Bestehens machte sich das Kollektiv auf eine „Suche, bei der virtuelle Realität entweder im Zentrum des Schaffensprozesses steht oder Vehikel ihrer verbindlichen Reflexion ist“ mit Kulturprojekten, die insbesondere in der Cité des Sciences et de l‘Industrie, in der Géode oder im Gaîté Lyrique in Paris gezeigt wurden.

Die ehrgeizigste künstlerische Arbeit, die man in jenen Tagen in Luxemburg finden konnte, ist zweifellos die Installation The Promises of Monsters. Der Prolog, eine Virtual-Reality-Installation mit dem Titel Near Dante Experience, wurde im Rahmen der vierten Triennale de la Jeune Création in den Rotondes ausgestellt, während der nachfolgende zweite Teil vom 20. Oktober 2017 bis 2. Februar 2018 in der Galerie Indépendance im Rahmen der Bourse Indépendance – Bourse de Création et de Diffusion en Arts numériques gezeigt wurde, ein Stipendium, das 2017 an Mannelli vergeben wurde.

In Paris gründete die Künstlerin 2008 den Verein Human Atopic Space (HAS) gemeinsam mit Pierre Cornette de Saint Cyr, Margherita Balzerani und Frederick Thompson. In den fünf Jahren seines Bestehens machte sich das Kollektiv auf eine „Suche, bei der virtuelle Realität entweder im Zentrum des Schaffensprozesses steht oder Vehikel ihrer verbindlichen Reflexion ist“ mit Kulturprojekten, die insbesondere in der Cité des Sciences et de l‘Industrie, in der Géode oder im Gaîté Lyrique in Paris gezeigt wurden.

Die ehrgeizigste künstlerische Arbeit, die man in jenen Tagen in Luxemburg finden konnte, ist zweifellos die Installation The Promises of Monsters. Der Prolog, eine Virtual-Reality-Installation mit dem Titel Near Dante Experience, wurde im Rahmen der vierten Triennale de la Jeune Création in den Rotondes ausgestellt, während der nachfolgende zweite Teil vom 20. Oktober 2017 bis 2. Februar 2018 in der Galerie Indépendance im Rahmen der Bourse Indépendance – Bourse de Création et de Diffusion en Arts numériques gezeigt wurde, ein Stipendium, das 2017 an Mannelli vergeben wurde.

Ihre erste Einzelausstellung war für Laura Mannelli zugleich Sprungbrett ins Ausland: Im Anschluss an die Galerie Indépendance wurde The Promises of Monsters 2018 im Centre des Arts in Enghien-les-Bains gezeigt, im Widerhall der Werke von Gast Bouchet und Nadine Hilbert unter dem Titel As above so below/Sur la Terre comme au Ciel (Kuratoren: Kevin Muhlen, Emmanuel Cuisinier). 2019 stand die Installation Near Dante Experience auf dem Programm des Festivals L.E.V. im spanischen Gijón.

Ein zweiter Künstler, dessen Werke recht schnell in den wichtigsten Galerien für zeitgenössische Kunst in Luxemburg ausgestellt wurden, ist Eric Schockmel (Jahrgang 1982). 2008 erwarb das Mudam seine beiden Werke Syscape # ELO und Circuit I (Syscapes), die bei den Gruppenausstellungen ELO. Inner Exile – Outer Limits (2008, Intendant: Christian Mosar) und I’ve dreamt about (2011, Kuratorin: Marie-Noëlle Farcy) gezeigt wurden. 2014 stellte ihm das Casino Luxembourg - Forum d’Art contemporain seine Kellerräume für seine Videoinstallation Macrostructure zur Verfügung, die auf mehrere Bildschirme aufgeteilt war.

Die visuelle Sprache des angehenden Motion Designers (Schokmel hat einen Master in Kommunikationsdesign des Central Saint Martins und eine Licence in Grafikdesign der École de Recherche Graphique) inspiriert sich in weiten Teilen an Science Fiction und der Ästhetik des Technologiedesigns. Diese vorrangige Inspirationsquelle bewegte ihn zweifelsohne auch zu seinem bis dato neuestem künstlerischem Projekt: Tuning Into The Future (2019), ein Dokumentarfilm über das Oeuvre von Hugo Gernsback, geboren in Bonneweg und Vater des modernen Science Fiction.

Schockmels Werk, das im Wesentlichen aus Videoanimationen und Animationen für Virtual Reality-Projekte besteht, erfährt heute auf internationaler Ebene eine hohe Verbreitung, insbesondere bei der transmediale in Berlin, dem Ars Electronica Animation Festival, bei Art Basel | Miami Beach, Vimeo FRAME und beim Athens Digital Arts Festival.

Anschließende Entwicklung von VR-Erfahrungen:

Eine wesentliche Etappe unter der Flut künstlerischer Projekte, die sich der virtuellen Realität (VR) bedienten, war die Initiative des Film Fund Luxembourg zur finanziellen Unterstützung so genannter Transmedia-Projekte. In der ersten Jahreshälfte 2010 erhielt der Film Fund immer mehr Finanzierungsanfragen von Produzenten mit einem neuen Storrytelling-Medium: VR-Brillen und die gesamte damit zusammenhängende Technologie zur Erstellung der Inhalte (3D-Modellierungs- und Animationssoftware, Spiele-Engines, Programmiersprachen, 3D-Sounderstellung oder sogar neue Kamerasysteme).

Als eine der Ersten nutzte das Duo Markiewicz & Piron die neuen erzählerischen Möglichkeiten der virtuellen Realität. Karolina Markiewicz (Jahrgang 1976) studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Theater und arbeitete als Kino- und Theaterregisseurin. Pascal Piron (Jahrgang 1981) studierte bildende Kunst und arbeitete als Künstler und Regisseur. Mit der künstlerischen Zusammenarbeit zwischen Markiewicz und Piron, die 2013 begann, wurden Verbindungen zwischen Kino, bildender Kunst und Theater geschaffen. Ihnen verdanken wir unter anderem die äußerst bemerkenswerten Dokumentarvideos Les Formidables (2014) und Mos Stellarium (2015).

Die Auslotung all dessen, was VR zu bieten hat, begann für Markiewicz und Piron mit der Teilnahme am VR Creators‘ Lab 2017, das vom Bayerischen Filmzentrum in München veranstaltet wurde. Was sie letztendlich zu dieser Technologie und dieser Ausdrucksform hinzieht, ist die Möglichkeit, ein Werk in einem Raum stattfinden zu lassen, der damit integraler Bestandteil der Erzählung wird. Die VR-Erfahrung konzentriert sich auch auf die Teilnehmer:innen, ihre Entscheidungen und Reaktionen, wodurch sich eine gewisse Nähe zwischen Zuschauer:in und Sujet ergibt.

Die interaktiven VR-Erfahrungen von Markiewicz & Piron wurden für zahlreiche Festivals ausgewählt: Fever (2019) nahm am offiziellen Wettbewerb des VR Arles Festival und des Virtual Worlds in München teil, Sublimation (2019) feierte seine Premiere bei der 76. Mostra de Venise - Venise Virtual Reality.

My identity is this expanse, das Projekt, bei dem das Duo mit einer der Vorreiterinnen der virtuellen Realität in der Kunst, Tamiko Thiel, zusammenarbeitete, wurde beim Festival Cinequest in San Jose in den USA mit dem Best Immersive VR Award ausgezeichnet. Die Installation wird auch bei der Ausstellung Stronger than memory and weaker than dewdrops gezeigt, die im Herbst 2021 im Casino Luxembourg stattfindet.

3D-Druck verbindet Vergangenheit und Zukunft:

Serge Ecker (Jahrgang 1982) ist der erste Künstler in Luxemburg, der einen 3D-Drucker für seine Kunst verwendet, und zwar schon seit 2008. Er sieht sich selbst als Forscher, als jemanden, der ständig nach vergessenen Orten, Objekten und Geschichten sucht. Sein Werk ist ein ständiges Hin und Her zwischen materiell und virtuell, was diesen äußerst produktiven Künstler auszeichnet, der traditionelle Handwerkskunst und neue Technologien in zahlreichen seiner Projekte zusammenführt.

Mit seiner Ausbildung in 3D und Spezialeffekten machte sich Ecker mit den Installationen Forget the names, let‘s talk about the numbers (2015) und Handle with Care (2015) schnell einen Namen. 2016 präsentierte er zusammen mit Claude Ballini, Daniel Grünkranz und Panajota Panotopoulou auf der Architekturbiennale Venedig im luxemburgischen Pavillon seine Tracing Transitions. Er gehört dem Verein DKollektiv an, der sich für den Erhalt und die Neubewertung des Industrieerbes der Stadt Düdelingen unter Einbeziehung der Öffentlichkeit einsetzt.

Ein Werk illustriert sehr schön den kreativen Ansatz von Eckert: das Projekt Humpen (2015), das in Kooperation mit Misch Feinen (Jahrgang 1982) entstand. Anhand digitaler Fotos eines Schlackekübels (auf Luxemburgisch: Humpen) erstellte Ecker mit mehreren Programmen für visuelle Daten ein dreidimensionales Modell des Objekts. Das Modell wurde mit einem 3D-Drucker ausgedruckt und der Gießerei Massard in Kayl überreicht, die daraus eine Gussform erstellte. Das letztendliche Ziel, ein Mini-Humpen, schafft eine Verbindung zwischen Stofflichem und Virtuellen, zwischen Kunsthandwerk und der Verwendung neuer Technologien. Diese wechselseitige Abhängigkeit steht im Zentrum des Schaffens von Ecker, dessen Werk zeigt, dass es sich lohnt, die oft von neuen Technologien transportierte, als Fortschritt bezeichnete Auffassung in Frage zu stellen, Altes werde durch das Neue ausgelöscht.

Eckers Oeuvre ist Teil der Sammlungen des Mudam Luxembourg – Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean, des CNA-Centre National de l‘Audiovisuel, des Kulturministeriums, des Lëtzebuerg City Museum, der Rotondes, der Stadt Luxemburg und der Stadt Esch-sur-Alzette.

Fever © Markiewicz-Piron

Casino Luxembourg – Forum d’Art contemporain, Pavillon Réalité Virtuelle/VR Day und das Festival Multiplica:

Im März 1996 eröffnete das Casino Luxembourg - Forum d’Art contemporain seine Tore in der Rue Notre Dame 41. Bereits bei einer der ersten Ausstellungen, Arrêt sur images (1996, Kurator: Enrico Lunghi), konnte die Öffentlichkeit einen der prominentesten Vertreter der Multimediakunst unter den Gästen begrüßen: den Amerikaner Tony Oursler (Jahrgang 1957). Als Forum für zeitgenössische Kunst hat sich das Casino im Laufe der Jahre zu einem zentralen Ort, nicht nur der künstlerischen Schöpfung, sondern auch der Kulturvermittlung, des Austauschs und des Lernens von Multimediakunst und digitaler Kunst entwickelt, vor allem mit den Vortragsreihen Mardis de l‘art und Forum arts, médias et société.

Zwei andere Veranstaltungen können zweifelsohne ebenfalls als wichtige Etappe in der Entdeckung digitaler Kunst und Kultur durch die breite Öffentlichkeit gelten: das alle zwei Jahre stattfindende Festival Multiplica der Rotondes und der Pavillon Réalité Virtuelle/VR Day:

Der erste Pavillon Réalité Virtuelle wurde der Öffentlichkeit am 1. März 2017 beim Luxembourg City Film Festival präsentiert. Das diesem neuen Kunstgenre gewidmete Programm, das auf Initiative der Gründer der Filmproduktionsgesellschaft a_BAHN und des Festivals in Zusammenarbeit mit Digital Luxembourg und dem Film Fund Luxembourg entstand, erreichte von Anfang an sein Ziel: die Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Luxemburg für die neuen narrativen, sensorischen und ästhetischen Möglichkeiten der VR-Technologie. Auf dem Programm des ersten Festivals standen auch Beiträge und Begegnungen mit Vertretern einer entstehenden Industrie beim VR Day, dem dem Fachpublikum vorbehaltenen Teil dieses Virtual-Reality-Events.

2018 nahm der Film Fund Luxembourg wieder die Zügel in die Hand und machte daraus ein absolutes Muss für die einheimische und weit darüber hinaus reichende Kulturlandschaft, denn diesmal waren auch internationale Künstler:innen und Fachvertreter:innen auf dem Festival zugegen. Auch Kooperationen wie die mit dem Centre Phi in Montreal wurden im Laufe der Jahre immer intensiver und öffneten so Produktionen aus Luxemburg die Türen zum internationalen Markt.

2017 fand das zweijährliche Festival Multiplica erstmalig im Centre Culturel Rotondes statt, das auch Initiator war. Bei den beiden ersten Editionen (2017 und 2019) bot das Festival ein multidisziplinäres Programm zur Auslotung der kreativen, künstlerischen Möglichkeiten, die digitale Tools und neue Technologien bieten. In entspannter Atmosphäre und der Hands-on-Stimmung, für die das Kulturzentrum bekannt ist, konnte das Publikum nicht nur zuschauen, sondern auch aktiv an den Workshops teilnehmen und einige der zahlreichen kreativen künstlerischen Weggabelungen ausprobieren, die man unter dem Sammelbegriff digitale Kunst zusammenfasst.

2021 schlug das Festival eine neue Richtung ein und konzentrierte sich mit künstlerischen Angeboten und Begegnungen mit Expert:innen der digitalen Kunst vor allem auf die Frage, welchen Einfluss die neuen Technologien auf unsere Gesellschaft haben.

Blick in die Zukunft: Esch-sur-Alzette als Europäische Kulturhauptstadt 2022, Pro-Sud und die CCPHVA

Am 22. Februar 2022 erfolgt der Auftakt zur Europäischen Kulturhauptstadt Esch2022, in deren Rahmen insbesondere zahlreiche Ausstellungen und Projekte zum Thema digitale Kunst vorgesehen sind.

In der Möllerei in Esch-Belval etwa finden Ausstellungen in Kooperation mit drei der bedeutendsten Einrichtungen für digitale Kunst und neue Medien statt:
- dem ZKM I Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe (Kurator:innen: Prof. Peter Weibel & Dr. Anett Holzheid)
- dem HeK - Haus der elektronischen Künste in Basel (Kurator:innen: Sabine Himmelsbach und Boris Magrini)
- dem Ars Electronica in Linz (Kurator:innen: Martin Honzik und Laura Welzenbach)

An zahlreichen anderen fachübergreifenden Projekten, die ebenfalls im Rahmen der stark auf digitale Kunst setzenden Europäischen Kulturhauptstadt stattfinden werden, sind diverse Künstler:innen und Einrichtungen aus Luxemburg beteiligt. Mit diesen Projekten verfolgen die Organisator:innen von Esch 22 mehrere Ziele: Sie möchten einer möglichst breiten Öffentlichkeit den Schlüssel zum Verständnis digitaler Kunst in die Hand geben, bei der Öffentlichkeit das Interesse an derartigen Veranstaltungen wecken, ein Netzwerk zwischen Kultureinrichtungen und Künstler:innen in Luxemburg und internationalen Partnern schaffen und so das Fundament für künftige gemeinsame Kunstprojekte legen.

Fördermöglichkeiten für digitale Kunst und Multimediakunst

Dass es noch keine echte Branche in diesem Bereich gibt, lässt sich auch an den aufgewandten staatlichen Fördermitteln ablesen. Derzeit gibt es keine Kultureinrichtung und kein Förderprogramm oder Residenzen speziell für digitale Kunst oder Multimediakunst. In den letzten Jahren kamen und verschwanden auch gleich wieder von der Bildfläche: die Residenz für digitale Künstler:innen im Bamhaus (Preisträgerin 2017: Nora Wagner) und das Stipendium Bourse Indépendance - Bourse de création et de diffusion en arts numériques (Preisträger:in: 2017 Laura Mannelli, 2019 Gerges), gestiftet vom Fonds Culturel National Luxembourg – FOCUNA in Kooperation mit der Asbl Bamhaus bzw. von der Fondation Indépendance.
Doch auch wenn heute keine ausgewiesenen Fördermöglichkeiten bestehen, gibt es zahlreiche staatliche Finanzierungen, die für digitale und Multimedia-Kunstprojekte beantragt werden können:

Kulturministerium

Das Kulturministerium unterstützt Vereine, Privatpersonen und Künstlerkollektive, -gruppen oder -ensembles ohne formellen Zusammenschluss in der Rechtsform eines Vereins bei kulturellen Projekten in Luxemburg in Bereichen wie bildender Kunst, Film und Schauspiel. Auch multidisziplinäre Projekte können eingereicht werden.

Weitere Informationen: mc.gouvernement.lu

Fonds Culturel National Luxembourg – FOCUNA

Eine finanzielle Unterstützung des FOCUNA, unter anderem im Bereich bildende Kunst, ist für bestimmte Projekte der digitalen Kunst und Multimediakunst interessant.

Weitere Informationen: focuna.lu

Film Fund Luxembourg

Mit seinen zahlreichen Fördermöglichkeiten unterstützt der Film Fund neben Kinoproduktionen und Animationsfilmen auch VR-Projekte. Der Film Fund vergibt punktuell auch Stipendien an Personen, die im Ausland an einem Festival teilnehmen möchten, bei dem VR-Projekte gezeigt werden, oder die im Ausland eine Ausbildung in diesem Bereich anstreben.

Weitere Informationen: filmfund.lu

Ausbildungsmöglichkeiten für digitale Kunst in Luxemburg

Wie in den meisten Berufszweigen führt der Ausbildungsweg in Luxemburg ins Ausland – was jedoch nicht heißen soll, dass ein Abschluss in digitaler Kunst die einzige Möglichkeit zur Verwendung neuer Technologien im künstlerischen Alltag ist.

Schaut man sich den Werdegang der im ersten Teil dieses Artikels angeführten Luxemburger Künstler:innen genauer an, stellt man mehrere Dinge fest. Erstens: Jeder und jede hat sein/ihr eigenes (oft akademisches) Ausbildungspaket geschnürt. Das reicht von Motion Design bis Politikwissenschaft. Zweitens: Autodidaktischer Wissenserwerb spielt eine wichtige Rolle: Neben einzelnen Workshops brachte vor allem die Kooperation mit anderen Künstler:innen und Kreativen neue Erkenntnisse und Fertigkeiten. Und drittens: Viele knüpften ihr eigenes Netzwerk, mit dessen Hilfe sie bei der Realisierung multidisziplinärer Projekte die Teams mit den benötigten Spezialist:innen besetzen konnten.

Dennoch gibt es in Luxemburg einige wenige schulische und außerschulische Ausbildungen, bei denen einige für die Realisierung und den Entwurf künstlerischer Projekte unter Einbindung diverser neuer Technologien sehr geschätzte Fähigkeiten erworben werden können.

BTS – Lycée des Arts et Métiers (Luxemburg)

- BTS Game Programming and Game Design
- BTS Game Art and Game Design
- BTS Trickfilmanimation

Diese drei BTS-Abschlüsse, die sich an Studierende richten, die eine Tätigkeit im Videospiele- und Trickfilmbereich anstreben, konzentrieren sich auf technische und künstlerische Fähigkeiten, die auch für künstlerische Projekte, die mit VR- oder Immersion-Technologien arbeiten, oder für andere Multimedia-Projekte interessant sein können.

Weitere Infos: btshub.lu

Makerspaces/Bee Creative

Luxemburg hat ein umfassendes Netz an Makerspaces aufzuweisen. Dabei handelt es sich um Orte, an denen junge Menschen ihre eigenen digitalen Tools erstellen können.

An der im Schuljahr 2015/2016 vom Service National de la Jeunesse ins Leben gerufenen Initiative beteiligen sich mittlerweile über zwanzig Lyzeen, die Makerspaces haben, neben Base 1 im Forum Geeseknäppchen in Luxemburg-Stadt, das für die breite Öffentlichkeit zur Verfügung steht, und einigen anderen in Maisons Relais und Grundschulen. Wann werden wir erstmalig Künstler:innen erleben, die ihre ersten Gehversuche an einem dieser Orte machten?

Lernorte: bee-creative.lu

Weitere Infos: bee-creative.lu

Alin&Art/Lycée Aline Mayrisch (Luxemburg)

Die Initiative von Claire Flammang, Kunsterzieherin am Lycée Aline Mayrisch, besteht aus freiwilligen Workshops für die Schülerinnen und Schüler dieses Gymnasiums und ist bemerkenswert. Seit 2013 wird Schülerinnen und Schülern jedes Jahr im Dezember ein Wochenende lang eine Vielzahl von Workshops angeboten, die von luxemburgischen und internationalen Künstler:innen angeleitet werden. Zwar sind diese Kurzlehrgänge nicht speziell auf digitale Kunst oder Multimediakunst ausgerichtet, sie spielen jedoch eine wichtige Rolle dabei.

Weitere Infos: facebook.com/artcapsuleLAML

Forum Arts, Médias et Société/Casino Luxembourg

Bei dem 2019 vom Casino Luxembourg – Forum d’Art contemporain in Kooperation mit der Université du Luxembourg initiierten Forum Arts, Médias et Société handelt es sich um eine Vortragsreihe, die grundsätzlich für alle, aber auch für Künstler:innen zu empfehlen ist, die die Frage umtreibt, welche Rolle Medien und Technologie in der zeitgenössischen Kunst und in unserer Gesellschaft spielen.

Lernort: Casino Luxembourg – Forum d’Art Contemporain

Weitere Infos: casino-luxembourg.lu

Yves Conrardy, Koordinator des Festival Multiplica – Arts et Réalités numériques. Rotondes, Juni 2021